Warum Versorgungsunternehmen der Reduzierung von N2O-Emissionen Vorrang einräumen müssen
Distickstoffmonoxid oder Lachgas (N2O) kann einen wesentlichen Faktor bei den Treibhausgasemissionen aus der Abwasseraufbereitung darstellen, der Wassersektor hat jedoch noch einen langen Weg vor sich, wenn es darum geht, Lösungen zur Überwachung, Kontrolle und Berichterstattung dieser Emissionen zu implementieren. Welche Schritte können Versorgungsunternehmen im Hinblick auf das Problem der N2O-Emissionen bereits heute unternehmen, und welche Lösungen können sie in Zukunft erwarten? Xylem-Experte Dr. Oliver Puckering erklärt.
Eine 2023 von Xylem durchgeführte Umfrage unter 100 Versorgungsunternehmen ergab, dass 75 % Pläne zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen bis 2040 haben, und viele von ihnen reduzieren ihre Emissionen bereits durch die Installation energieeffizienterer Technologien und den Einsatz digitaler Lösungen zur Betriebsoptimierung. Trotz ihrer beträchtlichen Auswirkungen rangieren Prozessemissionen wie Methan und Distickstoffmonoxid in der Prioritätenliste der Versorger jedoch an letzter Stelle.
Um besser zu verstehen, warum Versorgungsunternehmen die Reduzierung von Distickstoffmonoxid-Emissionen priorisieren sollten und welche Maßnahmen sie ergreifen können, sprach Making Waves mit Dr. Oliver Puckering, Leiter des Partnership Accelerator Programms bei Xylem Innovation Labs.
F. Warum ist es wichtig, dass Kläranlagen Maßnahmen zur Reduzierung der Distickstoffmonoxid-Emissionen ergreifen?
Distickstoffmonoxid hat ein 300-mal höheres Erderwärmungspotenzial als Kohlendioxid. Da sich viele Versorgungsunternehmen zu Netto-Null-Zielen verpflichtet haben, spielt die Reduzierung der Distickstoffmonoxid-Emissionen eine wichtige Rolle, um diese Ziele zu erreichen.
Distickstoffmonoxid entsteht in Kläranlagen während der Nitrifikations- und Denitrifikationsprozesse, die dazu dienen, Ammoniak zu entfernen und die aufnehmenden Gewässer vor schädlichen Stickstoffbelastungen zu schützen. Suboptimale Prozessabläufe können größere Mengen an Distickstoffmonoxid erzeugen, das dann aus der Flüssigkeit herausgelöst und in die Atmosphäre freigesetzt wird, wenn über Gebläse zusätzliche Luft zugeführt wird.
Die Untersuchungen von Xylem zeigen, dass N2O-Emissionen je nach Prozess und Strommix zwischen 25 und 75 % der Gesamtemissionen einer Kläranlage ausmachen können, während andere N2O-Emissionsstudien N2O-Emissionen in Höhe von 60 bis 80 % der Gesamtemissionen ergeben haben. Die N2O-Emissionen schwanken ständig – sie werden durch saisonale Muster und Faktoren wie Temperatur, Stickstoffbelastung und Belüftungsbedarf in Kläranlagen beeinflusst.
Ein besseres Verständnis der Distickstoffmonoxid-Emissionen in Kläranlagen ist notwendig, damit die Versorgungsunternehmen ihre Treibhausgasemissionsziele erreichen und eine solide Grundlage für die Gesamtemissionen des Wassersektors schaffen können.
F: Welche Technologie gibt es derzeit für die Messung von N2O-Emissionen?
Verglichen mit der Technologie zur Messung von Standardprozessvariablen wie Ammoniak, gelöstem Sauerstoff und Schwebstoffen stecken zuverlässige Messlösungen für Distickstoffmonoxid noch in den Kinderschuhen. Mit der Verschärfung der Vorschriften erwarten wir jedoch eine bedeutende technologische Entwicklung. Es gibt bereits eine Reihe von Lösungen für die Überwachung von N2O-Emissionen, von denen einige direkte Messungen verwenden und andere sich auf Modellierungen stützen, um die N2O-Bildung und -Freisetzung abzuschätzen.
Es gibt Sensoren, die N2O direkt in flüssigen bzw. gasförmigen oder in beiden Phasen messen können. Doch obwohl diese Sensoren innerhalb ihres spezifizierten Bereichs zuverlässige Messungen ermöglichen, bleibt ihre groß angelegte Implementierung in mehreren Kläranlagen eine Herausforderung. Dennoch erweisen sie sich als vorteilhaft für die Durchführung jährlicher Kampagnen zur Messung von N2O an bestimmten Abschnitten der Kläranlagen, wie z. B. in Belebungsbecken.
F: Wie unterscheidet sich die Modellierung von N2O-Emissionen von direkten Messungen?
Empirische und risikobasierte Modelle beziehen Parameter wie gelösten Sauerstoff, Nitrit, Nitrat und rechnergestützte Strömungsmechanismen ein. Diese Modelle ermöglichen ein umfassendes Verständnis der N2O-Emissionen und sind aufgrund ihrer einfachen Implementierung und Skalierbarkeit sehr attraktiv. Obwohl sie mit Herausforderungen bei der Validierung und Verifizierung konfrontiert sind, setzen Versorgungsunternehmen weltweit diese Modelle zunehmend in Demonstrationsprojekten ein und beschleunigen so den Validierungsprozess.
Die Echtzeitüberwachung von N2O-Emissionen, sei es durch direkte Messung oder durch Modellierung, ist entscheidend für relevante Eindämmungsstrategien.
Beispielsweise können Entscheidungsunterstützungssysteme mit maschinellem Lernen N2O-Überwachungsdaten nutzen, um die Betriebsbedingungen zu optimieren, einschließlich der Sauerstoffregelung und der Rückführung des Belebtschlamms. Dies minimiert die Bildung von N2O und damit das Risiko von Emissionen durch Gas-Stripping, während der Nitrifikations- und Denitrifikationsprozesse. Außerdem erfüllt es gleichzeitig die Behandlungsanforderungen.
F: Welche neuen Methoden können eingesetzt werden, um die Bildung von N2O zu verhindern?
Es ist wichtig zu verstehen, dass Eindämmungslösungen zwar die N2O-Emissionen reduzieren, aber die Bildung von N2O, die für biologische Klärprozesse charakteristisch ist, nicht vollständig verhindern können. Alternative Behandlungstechnologien und -methoden zu identifizieren ist für Versorgungsunternehmen unabdingbar, um eine schrittweise Abkehr von Belebtschlammverfahren und eine Hinwendung zur Ressourcenrückgewinnung einzuleiten.
Mehrere Versorgungsunternehmen haben alternative Rückgewinnungsverfahren eingeführt, sei es auf physikalischer, chemischer oder verbesserter natürlicher Basis (z. B. Algenbehandlung), um so die Bildung von N2O zu verhindern. Um eine möglichst effiziente und effektive Aufbereitungsstraße zu entwickeln, sollten die Versorgungsunternehmen ihre Optionen auf der Grundlage der standortspezifischen Bedürfnisse bewerten, anstatt einen Einheitsansatz zu wählen.
F: Welche Leitlinien gibt es, um Versorgungsunternehmen bei der Schätzung ihrer N2O-Emissionen zu unterstützen?
2019 hat der Zwischenstaatliche Ausschuss für Klimaänderungen (IPCC) Richtlinien mit einem stufenweisen Ansatz für die Schätzung der N2O-Emissionen eingeführt. Diese Richtlinien können ein guter Ausgangspunkt sein, um das Bewusstsein für N2O-Emissionen zu schärfen. Allerdings werden die tatsächlichen Emissionen oft unterschätzt, was eine genaue Planung von Eindämmungsmaßnahmen erschwert.
Es gibt mehrere Maßnahmen, die Versorgungsunternehmen heute ergreifen können, um mit der Bewertung und Reduzierung der tatsächlichen Distickstoffmonoxid-Emissionen zu beginnen.
Die Versorgungsunternehmen sollten einen strategischen Ansatz verfolgen und sich auf ihre größten Kläranlagen mit den komplexesten Belüftungsmustern konzentrieren, verbunden mit kombinierten Energie- und Emissionsprüfungen. Auf diese Weise können die Versorgungsunternehmen mit der Umsetzung gezielter Maßnahmen beginnen, die dann die Grundlage für umfassendere Verbesserungsprogramme für ihr gesamten Kläranlagenbestand bilden.
F. Wie arbeitet Xylem Innovation Labs an der Entwicklung von Lösungen für die Überwachung und Kontrolle von Distickstoffmonoxiden?
Um innovative Wasseraufbereitungslösungen schneller an den Markt bringen zu können, arbeitet Xylem Innovation Labs im Rahmen unseres Partnership Accelerator-Programms mit Start-Ups zusammen. Dieses Jahresprogramm hilft uns dabei, Technologien im gesamten Spektrum der Herausforderungen auf Kunden- und globaler Wasserebene zu identifizieren, einzusetzen und zu bewerten, wobei Netto-Null-Ziele und Nachhaltigkeit ein Hauptaugenmerk sind.
Der Umgang mit N2O-Emissionen ist ein wichtiger Bestandteil dieser Arbeit, einschließlich der Überwachung von Präkursoren und direkten N2O-Emissionen, Modellierung und digitalen Zwillingen sowie neuartigen Behandlungsoptionen für die Nährstoffrückgewinnung.
Seit dem Start des Accelerators im Jahr 2022 haben wir 35 Unternehmen durch das Programm geführt. Beispiele für drei Programmteilnehmer, bei denen verschiedene Aspekte der Emissionsreduzierung relevant sind:
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Gross Wen Technologies, das ein Algenbehandlungsverfahren zur Aufnahme und Rückgewinnung von Nährstoffen entwickelt hat.
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Aquamonitrix bietet einen Nitrit- und Nitratsensor an, um die Bildung von Präkursorsubstanzen zu messen.
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Cobalt Water Global bietet eine Software zur Bewertung des Prozessrisikos der N2O-Produktion und -emission.
Erfahren Sie mehr darüber, wie Xylem Versorgungsunternehmen dabei hilft, Netto-Null-Ziele zu erreichen.